Im Flüchtlingscamp wird‘s täglich voller

"Ich habe das Lager kaum wiedererkannt". Karin Schnur vom Technischen Hilfswerk (THW) Germersheim ist zurück von ihrem zweiten Arbeitsaufenthalt

"Im Sommer haben wir eine Wüstenfläche vermessen", erinnert sie sich an die erste Reise nach Jordanien im Juni. "Jetzt leben rund 30.000 Menschen in einer Zeltstadt." Und täglich werden es mehr.

Das Lager nimmt Flüchtlinge auf, die aus Syrien vor dem Bürgerkrieg fliehen. Betrieben wird es vom Flüchtlingshilfswerk der vereinten Nationen (UNHCR) und unterstützt vom Kinderhilfswerk Unicef. Die Vereinten Nationen wiederum haben das deutsche THW beauftragt, das Camp zu planen, zu organisieren sowie die Verwaltung und die technischen Arbeiten zu übernehmen.

Karin Schnur macht Verwaltungsaufgaben. Das reicht vom Verteilen der UN-Hilfsgelder bis zu Planung und Einkauf der neuen Küchen, die gerade aufgebaut werden. "Es ist ein Teil der Normalisierung des Lebens im Lager, wenn die Leute selbst kochen können und nicht von außen mit fertigen Mahlzeiten versorgt werden", sagt Schnur.
Ein geregeltes Leben mit Aufgaben für die Menschen im Camp ist wichtig. Sie werden lange dableiben müssen, ein Ende des Bürgerkrieges in Syrien ist nicht absehbar. "Die UN hat unseren Auftrag gerade von Ende Oktober auf Ende Februar verlängert", erzählt die Karlsruherin in Diensten des THW Germersheim. Für sie heißt das, dass möglicherweise noch einmal ein Einsatz in Jordanien auf sie zukommt. "Bis Weihnachten geht aber wieder das normale Leben vor", erzählt die Freie Radiojournalistin und Musikerin.

Ihr normales Leben, das für zwei freie Berufe einen hohen Organisationsgrad notwendig macht, hilft ihr auch beim Einsatz in Jordanien. Ihr Organisationstalent zusammen mit Lehrgangserfahrung beim THW hat ihr die Verwaltungsaufgabe im Camp ein gebracht. Natürlich gepaart mit einer großen Portion freiwilligen Engagements.

Dass ein Aufenthalt im Camp alles andere als Urlaub ist, zeigen 16-Stunden-Tage in einer Sechs-Tage-Woche. Die zehn deutschen Helfer leben außerhalb des Camps in Appartements. Sie haben mittlerweile rund 50 einheimische Helfer ausgebildet, "ohne die das große Lager gar nicht mehr geregelt zu betreiben wäre". Außer der Arbeit sind es die menschlichen Begegnungen, die lange über den Aufenthalt im Lager hinaus prägen. Vor allem die Kinder, die auf der Flucht ihre Eltern verloren haben, berühren die Helfer. Oder die verletzten Menschen, die im Camp ankommen, aber voller Hoffnung sind.

Dass diese Hoffnung auch in Frust umschlagen kann, hat Schnur erlebt. Denn wer im Camp angekommen ist wird registriert und darf nicht mehr raus. Diese Perspektivlosigkeit treibe vor allem alleinstehende Männer schon hin und wieder in Aggressionen. Auf der anderen seite habe sie auch Demonstrationen als Dank für die Helfer im Camp erlebt. Nicht nur für das THW, sondern für alle internationalen Hilfsorganisationen die vor Ort zum Beispiel auch Krankenhäuser betreiben.

Zwei Festtage waren im Camp vorletzte Woche. Die erste Hochzeit im Flüchtlingslager hat ein bisschen die einkehrende Normalität widergespiegelt. Und Karin Schnur hat ihren 27. Geburtstag dort gefeiert.


Artikel: Quelle Pfälzer Tageblatt - Ausgabe Rheinschiene Nr. 234 Montag, 08. Oktober 2012




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